Nachhaltigkeitsakademie in Papenburg

Aufgeschlossenheit, neue Freundschaften, Neugier und Zusammentreffen verschiedener regionaler Kulturen – auch wenn dies nur wenige Begriffe sind um ein zweiwöchiges Erlebnis auf den Punkt zu bringen, fassen diese ziemlich viele Aspekte meiner Erfahrungen bei der Nachhaltigkeitsakademie (kurz NAka) 2023 in Papenburg zusammen. Vergangenen August hatte ich die Möglichkeit zwei Wochen nach Papenburg im nordwestlichen Niedersachsen zu fahren, um dort eine Akademie zu besuchen. Bei der genannten Akademie drehte sich alles um das Thema Nachhaltigkeit. Auch der Klimawandel stand im Zentrum der dortigen Exkursionen, Kurs- und Projektarbeiten. Im Folgenden möchte ich über meine Erfahrungen dort und über den Weg bis dorthin berichten.

 

14.02.2023 – ich schaue in meinen Posteingang auf unserem schulinternen Onlineprotal und sehe, dass ich eine neue E-Mail mit dem Betreff „Interesse an Schülerakademie?“ bekam. Meine Fachlehrer schlugen mich für eine Teilnahme bei einer Schülerakademie im Rahmen der deutschen Schülerakademien vor. Ich war sehr erfreut, jedoch zunächst auch ein bisschen skeptisch. Soll ich mich wirklich von der Schule für eine solche Akademie beurlauben lassen oder einen Teil meiner Sommerferien dafür opfern? Weitere Recherchen über diese Veranstaltungen machten deutlich, dass man sich im Vorfeld mit den Inhalten, die man dort behandelt, befassen muss und, dass öfters schwierige Inhalte unter anderem anhand komplexen, englischen Papers (wissenschaftliche Artikel, durch die WissenschaftlerInnen ihre Forschungsergebnisse an ein Fachpublikum veröffentlichen) erarbeitet werden. Ich fragte mich also weiter, ob ich mir wirklich einen solchen zusätzlichen „Stress“ machen sollte und ob ich einen Teil meiner Freizeit mit „abgedrehten Superhirnen“ verbringen wollte (Spoileralarm – es geschah alles viel besser als befürchtet!). Dennoch reizte mich das Angebot und ich gab schließlich einer Bewerbung für einen Platz bei einer Akademie grünes Licht.
Die deutsche Schülerakademien für Bildung und Begabung allgemein sind Bildungseinrichtungen, bei denen sich Jugendliche aus der Mittel- und Oberstufe weiterbilden können und ihre Wissens- und Interessensgebiete ausbauen können. Es treffen sich also ausgewählte SchülerInnen aus ganz Deutschland meist für zwei Wochen und haben gemeinsam die Möglichkeit sich intensiv mit Themen aus Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Kunst oder anderen Fachbereichen auseinanderzusetzen. Die Kurse und Workshops werden von renommierten DozentInnen und ExpertInnen geleitet, die anspruchsvolle Inhalte vermitteln. Die Akademien sind für ihre Interdisziplinarität und ihre Betonung auf eigenständiges Denken und Arbeiten bekannt. Schülerinnen und Schüler werden so ermutigt, ihre Ideen zu entwickeln, Fragen zu stellen und in einem offenen intellektuellen Umfeld zu diskutieren.
Auf eine Bewerbung hin, wurde ich dann zu der Akademie- bzw. Kurswahl aufgefordert. Meine Erstwahl viel auf ein Partnerprogramm der deutschen Schülerakademien. Dies wird von dem Verein „Jugendbildung in Gesellschaft und Wissenschaft e.V.“ (kurz JGW), der von ehemaligen Akademieteilnehmenden gegründet wurde, organisiert. Das Prinzip hinter den JGW-Akademien ist dasselbe wie das hinter den Angeboten der deutschen Schülerakademien. Im Programm der JGW entschied ich mich für die genannte Nachhaltigkeitsakademie. Innerhalb dieser Akademie viel meine Wahl dann auf den Kurs „„Hello World!“ – Vom nummerischen Programmieren zu komplexen Klimamodellen“. Schließlich bekam ich dann eine Zusage für meine Erstwahl und es ging los!
Im Juni dieses Jahres bekamen alle Teilnehmenden die Einladung sich auf einem Onlineportal der Akademie einzuloggen und sich vollends für die Akademie anzumelden. Da die Teilnehmenden der Akademie alle aus verschiedenen Ecken Deutschlands kamen und sich so zuvor noch niemand kannte, hatten wir dort die Möglichkeit uns kennenzulernen und erste Kontakte zu knüpfen. Zu dieser Zeit wurde auch eine WhatsApp-Gruppe geründet, wo viele Konversationen stattfanden. In dieser Gruppe kam es auch schon zu einem ersten Aufeinandertreffen verschiedener regionaler Gewohnheiten und Kulturen. Es kam beispielsweise die Frage auf, ob man Berliner oder Krapfen (o. Ä.) zu dem berühmten „Siedegebäck aus süßem Hefeteig mit einer Füllung aus Konfitüre“1 sagt. Diese Streitfrage begleitete uns durch die gesamte Akademiezeit. Durch solche Konversationen wurde deutlich, dass schnell eine einzigartige Gemeinschaft entstehen wird.
Kurz vor den Sommerferien ging es dann für mich an die Vorbereitung auf die Kursinhalte. Meine Aufgabe war es mit einer anderen Teilnehmerin aus Nordrhein-Westfahlen ein Kurzreferat über Unsicherheiten in Klimamodellen vorzubereiten. Als Materialien bekamen wir etwas komplexere wissenschaftliche Arbeiten auf Englisch. Auch wenn diese Vorbereitung etwas Ausdauer und „Hirnschmalz“ erforderte, war diese sehr hilfreich für das Verständnis der Kursinhalte.
Mit der Vorbereitung in der Tasche, ging es dann am 17.08.2023 mit dem Zug ins Emsland nach Papenburg. Schon auf der Fahrt konnte ich viele TeilnehmerInnen kennenlernen, da immer wieder andere Teilnehmende in den Zug einstiegen. Das machte die Zugfahrt vom Süden bis in den Norden kurzweilig.
Die Akademie fand in der Historisch-Ökologischen Bildungsstätte (kurz HÖB) in Papenburg an der Ems statt. Die anerkannte Heimvolkshochschule ist sowohl für Kursarbeiten, als auch für kursübergreifende Aktivitäten (kurz KüAs) einwandfrei geeignet. Die Anlage wurde auch mit Rücksicht auf Nachhaltigkeit errichtet und es wird stets viel Wert auf den Umweltschutz gelegt.
Nach der Ankunft lernten wir Teilnehmende uns zunächst einmal ein bisschen näher kennen und kamen miteinander ins Gespräch. Ich merkte schnell: die anderen Teilnehmer sind keineswegs „abgedrehte Superhirne“. Alle waren super freundlich und sehr aufgeschlossen. Es wurde also klar: das werden zwei unvergessliche Wochen!
Auch wenn die Tage dort immer nahezu gleich strukturiert waren, hatte man die Möglichkeit seine Zeit mit verschiedenen Aktivitäten zu verbringen. Nach dem Frühstück ging es los mit dem Plenum, für das sich alle in einem Gebäude auf dem Gelände einfanden. Es wurden die wichtigsten Dinge für den Tag und die nahe Zukunft besprochen. Zum Beispiel wer welche KüAs (kursübergreifende Angebote) anbietet. Und die Vielfalt war groß! Von Sport-KüAs reichte das Angebot über Müllsammelaktionen, musikalische Aktivitäten, künstlerischen Aktivitäten bis hin zu Diskussionsrunden – um nur einige zu nennen. Es war überragend, was in den KüAs alles gemacht und geschaffen wurde. Wer etwas gut konnte, brachte dies anderen bei, oder man ging miteinander Aktivitäten nach, die mehreren Spaß machten. Es bildete sich zum Beispiel ein akademieeigener Chor und ein eigenes Orchester. Auch entstanden ganze Filme über aktuelle Themen und „Insider“ in der Akademie.
Nach dem Plenum ging es bis zum Mittagessen um 12.30 Uhr direkt weiter mit einer Kurs-Schiene, bei der sich jeder Kurs in seinem eigenen Kursraum traf. Zwischen dem Mittagessen und einem Stück Kuchen am Nachmittag hatten wir Zeit den KüAs nachzugehen. Im Anschluss daran ging es nochmal für ca. zweieinhalb Stunden in den Kurs zurück, bis es um 18.30 Uhr Abendessen gab. Direkt danach ging es wieder mit KüAs weiter, die dann oft bis spät in die Nacht andauerten.
Neben diesen regulären Tagen, gab es jedoch auch etwas außergewöhnlichere Tage. So gab es beispielsweise zwei Ausschlaftage, an denen die Kurs-Schiene am Vormittag entfallen ist. Teilweise nutzten wir diese beiden Tage um uns die Umgebung von Papenburg anzuschauen. An einem dieser Tage organisierten wir einen Besuch in der Meyer-Werft, wo die riesigen Kreuzfahrtschiffe (z.B. die AIDA-Kreuzfahrtschiffe) gebaut werden. An dem anderen Tag machten wir mit den ausgeliehenen Fahrrädern der HÖB eine kleine Fahrradtour nach Holland.
Exkursionen standen an einem weiteren Tag auch mal auf der Agenda. Für mich ging es in ein Moor, das noch ein Überrest einer früher riesigen Moorlandschaft in diesem Gebiet ist. Andere machten zum Beispiel Tauschspiele oder besuchten ein ehemaliges Strafgefangenenlager. Bei den Tauschspielen konnte man erneut die Freundlichkeit der dortigen Bewohner live erleben. Das Prinzip des Spiels war es mit einem Stift (o. Ä.) loszuziehen und diesen gegen einen anderen Gegenstand einzutauschen. Der erworbene Gegenstand wird dann wieder eingetauscht und so weiter, bis man etwas hat, mit dem man zufrieden ist. Es war erstaunlich, was die Bewohner in Papenburg alles eintauschten. Manche kamen sogar mit Fahrrädern oder Paddel, die gut für die Ruderboote auf dem See der HÖB geeignet waren, zurück.
In zwei Projekttagen hatten wir auch wieder die Möglichkeit unsere Ideen in größeren Projekten (möglichst nachhaltig) umzusetzen. Es entstand zum Beispiel ein riesiges Escape-Spiel auf dem Gelände oder auch ein funktionierendes Windrad, dass im See der HÖB aufgestellt wurde. Zudem entstanden neben größeren Kunstwerken auch beeindruckende und emotionale Gedichte und Lieder.
Die Freizeit kam also definitiv nicht zu kurz in diesen zwei Wochen. Auch die Arbeit im Kurs war nie langweilig. Es war ein ganz anderes Lernen, als ich es z.B. aus der Schule kenne. Zwischendurch machten wir Pausen, in denen wir uns mit Tee und ziemlich leckeren Keksen stärkten, und sogenannte Energizer. Das sind kurze Spiele, oder koordinative Gruppenaufgaben, die die Synapsen im Gehirn wieder neu „verkabeln“ und wieder einen Fokus auf den Kurs ermöglichen. Auch wenn im Kurs teilweise unterschiedliche Vorkenntnisse vorhanden waren oder man einfach mal kurz gar nichts mehr checkte, ging man nochmals alles gemeinsam durch, sodass jeder auf dem gleichen Stand war. Es entstanden viele Diskussionen über Inhalte, die oft etwas vom Thema wegführten, aber genau das ist es, was den Kurs so spannend machte.
Konkret ging es in meinem Kurs über Klimamodelle und wie diese numerisch programmiert werden können. Wir konnten selbst nummerische Simulationen durchführen und betrachteten diese zunächst auch auf eine analytische Weise. Es wurde also klar, wie physikalische Systeme mathematisch beschrieben werden können. Am Beispiel des Treibhauseffekts stellten wir eine komplexe Differentialgleichung auf, lösten diese und setzten sie in einem Programmcode um. Auch ging es um Besonderheiten die Modellierungen dieser komplexen und chaotischen Systeme beinhaltet. Zusätzlich dazu war ein großer Bestandteil des Kurses, welche Rolle Klimamodelle in unserer heutigen Gesellschaft vor allem in Bezug auf den Klimawandel besitzen. Wo liegen Unsicherheiten? Wo liegen Probleme, welche die Klimamodellierung mit sich bringt? Was bewirken ihre quantitativen Vorhersagen? Die Arbeit im Kurs war sehr abwechslungsreich und man konnte sehr viel daraus mitnehmen. So konnte ich beispielsweise neue Programmierkenntnisse über Python erlernen oder ganz neue Einblicke in Wettervorhersagen und das Arbeiten in der Klimawissenschaft bekommen.
Ein paar Ergebnisse aus den Kursarbeiten wurden dokumentiert, sodass jeder Teilnehmende der Akademie auch einen Einblick in die Arbeit anderer Kurse erlangen kann. Neben der Dokumentation ermöglichte dies auch noch ein „Rotations-Nachmittag“ bei dem jeweils zwei Leute aus einem Kurs den anderen ihre Aktivitäten im Kurs vorstellten.
Die zwei Wochen vergingen wie im Flug und waren auf jeden Fall sehr lehrreich. Ich lernte auf der Akademie jedoch vieles mehr als nur die Kursinhalte. Man kam allgemein mit DozentInnen, DoktorandInnen und anderen ExpertInnen ins Gespräch und unterhielt sich so beispielsweise über mögliche Wege (z. B. Studiengänge, Studienformen, Promotionen) nach der Schule. Auch hatten wir die Möglichkeit neue Computerprogramme wie beispielsweise LaTeX als Alternative zu Word kennenzulernen. Projektarbeiten, KüAs, das gemeinsame Lernen und vieles mehr schweißte uns alle sehr zusammen. Der Kontakt wird auch noch jetzt nach der Akademie gehalten. So gibt es beispielsweise einen Discord-Server, auf dem regelmäßige Telefonate stattfinden und erste Nachtreffen, die schon in Planung sind. Es waren zwei genauso schöne wie produktive Wochen, wo viel Neues entstand und von denen man einiges mitnehmen kann – vor allem lange Freundschaften!

 

Es war uns Teilnehmenden gemeinsam mit den Leitern möglich dort eine ganz neue Atmosphäre zu schaffen, die für jeden einzelnen von uns besonders war. Die Teilnahme auf der NAka lohnte sich für mich definitiv und ich merkte, dass meine Skepsis am Anfang völlig fehl am Platz war. Ich bin froh, dass sich mir diese Möglichkeit ergeben hat und danke meinen Fachlehrern dafür, dass sie mich für eine solche Akademie vorschlugen. Auch bin ich für den reibungslosen Bewerbungsprozess, den Frau Anja Bohner für mich mit übernommen hat und dessen Gelingen die Teilnahme erst ermöglichte, sehr dankbar. Das Thema Nachhaltigkeit ist in unserer heutigen Zeit aktueller als je zuvor und es war Teil der Akademie an diesem Krisenherd anzusetzen. Wir setzten an verschiedenen und zunächst etwas unscheinbaren Themen an um zu erarbeiten, wo Potential für eine Verringerung des Klimawandels und für mehr Nachhaltigkeit liegt. Zusammenfassend kann ich berichten, dass ich auf eine unvergessliche Zeit in Papenburg, in der viel mehr geboten wurde als nur ein gemeinsames Lernen, zurückblicken kann.

 

Quellennachweis:

  1. Zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Pfannkuchen (entnommen am 06.09.2023)

 

Links für weitere Informationen zu den Akademieangeboten, der NAka speziell oder der HÖB in Papenburg:

https://www.schuelerakademien.de/erwachsene/ (letzter Zugriff am 08.09.2023)

https://jgw-ev.de/ (letzter Zugriff am 09.09.2023)

https://www.hoeb.de/ (letzter Zugriff am 08.09.2023)

 

von Torben Weber (KS1, Hölderlin-Gymnasium Nürtingen)
Nürtingen, den 08.09.2023